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Diese Seite enthält Informationen zu rechter Gewalt, darunter Beschreibungen von Taten mit rassistischen, homosexuellenfeindlichen und sozialdarwinistischen Tatmotiven. Die Inhalte können als belastend empfunden werden.
Elf Menschen wurden in Leipzig und Umgebung Opfer rechter und tödlicher Gewalt – Gerhard Sch., Horst K., Gerhard Helmut B., Klaus R., Bernd Grigol, Achmed Bachir, Nuno Lourenço, Thomas K., Karl-Heinz Teichmann, Kamal Kilade und André K. wurden aus homosexuellenfeindlichen, sozialdarwinistischen oder rassistischen Motiven getötet. Von einem auf den anderen Tag wurden sie aus ihrem Leben gerissen, ihre Angehörigen und Freunde mussten lernen, ohne sie zu leben.
Fast alle dieser Gewalttaten haben gemeinsam, dass sie an öffentlichen Orten ausgeübt wurden – die Taten sind Botschaftstaten. Begibt man sich jedoch auf Spurensuche durch Leipzig und Umgebung erinnert wenig an die bisher ausgeübten Gewalttaten und deren Opfer. Im ganzen Stadtbild findet man Denkmäler und Erinnerungstafeln – Orte rechter Gewalt sind dabei in der städtischen Öffentlichkeit und Erinnerungslandschaft fast gänzlich abwesend.
Die ersten Recherchen und Veröffentlichung zu Todesopfern rechter Gewalt entstanden 2013, wir wollten genau hinschauen und die Probleme klar benennen. Anlass waren der gewaltsame Tod des Wohnungslosen Karl-Heinz Teichmann im September 2008 sowie der rassistisch-motivierte Mord an Kamal Kilade im Oktober 2010. Auch die Ermordung des Wohnungslosen André K. in Oschatz im Mai 2011 war ausschlaggebend für unsere Arbeit. 2014 eröffneten wir die Ausstellung „Die Verschwiegenen Toten – Todesopfer rechter Gewalt in Leipzig (1990-2010).“
Fast zehn Jahre später hat das Thema rechte Gewalt und rechter Terror nichts von seiner Aktualität verloren. Nicht nur nach der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und den rechtsterroristischen Taten in München, Halle und Hanau sind die mörderischen Konsequenzen menschenfeindlicher Einstellungen in Deutschland unübersehbar. Die schleppend angelaufene und nicht abgeschlossene, politische und juristische Aufarbeitung von rechter Gewalt, die nach der Selbstenttarnung des NSU einsetzte, führte zumindest in Sachsen nur zu einer minimalen Änderung der Anerkennungsraten rechter Gewalt. Viele der Ermordeten sind bis heute nicht offiziell als „Todesopfer rechter Gewalt“ anerkannt. Wir werten dies als Indiz für ein weiterhin mangelndes Problembewusstsein. Daher haben wir uns entschieden die alte Ausstellung zu überarbeiten, zu aktualisieren und zu kontextualisieren. Darüber hinaus erweitern wir diese um einen interaktiven Gedenkhomepage.
Auf niemals-vergessen.org können sich Besucher*innen über die Todesopfer rechter Gewalt in Leipzig informieren, mehr über die Tatmotive erfahren und die Orte der Gewalt auf einer Karte nachvollziehen. Die Website lädt zudem zu einem digitalen und analogen Stadtrundgang ein, der durch Leipzig führt und die verdrängte Geschichte rechter Gewalt im Stadtbild sichtbar macht.
… im Gedenken der Opfer
Die vielen Toten rechter Gewalt verpflichten zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Ursachen rechter und rassistischer Gewalt. Den Opfern gerecht werden heißt, sich ihrer zu erinnern. Den Angehörigen gerecht zu werden heißt, ihnen mit Mitgefühl und Respekt zu begegnen. Die Ursachen der Morde müssen klar benannt, gesamtgesellschaftlich problematisiert und bekämpft werden. Denn jeder tote Mensch ist ein Toter zu viel.
Wir halten Erinnerungs- und Gedenkarbeit für einen unerlässlichen Teil antifaschistischen Handelns und versuchen, kontinuierlich an die Todesopfer rechter Gewalt in Leipzig und andernorts zu erinnern. Dies kann auch bedeuten, sich in der eigenen Stadt auf Spurensuche zu begeben, Orte rechter Gewalt aufzusuchen, sich die alltäglichen Dimensionen dieser Gewalt vor Augen zu führen. Einen Anfang dafür wollen wir mit der unten aufgeführten, interaktiven Erinnerungskarte von Leipzig machen.